Betriebsverlagerungen in Europa: Beschleunigte Reindustrialisierung

Die Verlagerung von Industrie- und Produktionsunternehmen, die in Europa und den USA im Zuge der Gesundheitskrise begann, gewinnt an Dynamik und wird sich in den kommenden Jahren voraussichtlich noch verstärken. Laut einer Capgemini-Studie ist der Hauptgrund für diese Massenverlagerung von Industriekonzernen sowohl in Europa als auch in den USA die Suche nach zuverlässigeren Lieferketten. In der Studie wird auch festgestellt, dass die Reindustrialisierungsbemühungen Frankreichs (13% des BIP) fast dreimal so hoch sind wie die der USA (5%).

Im Februar befragte Capgemini 1 300 Führungskräfte von Industrieunternehmen mit einem Jahresumsatz von mehr als einer Milliarde Dollar in europäischen und US-amerikanischen Ländern wie Deutschland, Dänemark, Spanien, Finnland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Norwegen, den Niederlanden und Schweden. Die Studie beschreibt eine „wahre Welle“ der Re-Industrialisierung, die alle untersuchten Länder und Branchen erfasst. Neben dem Bestreben, die Widerstandsfähigkeit der Lieferkette zu verbessern, das durch die Warenknappheit während der Gesundheitskrise ausgelöst wurde, sind die Unternehmen auch durch geopolitische Spannungen und den Wunsch nach einer Verringerung der CO2-Emissionen motiviert. Die europäischen Unternehmen investieren besonders aktiv in die Reindustrialisierung, was sich in ihren verstärkten Investitionen in den Ausbau der Produktionskapazitäten widerspiegelt.

Die Re-Industrialisierungsinvestitionen in Europa und den USA werden für die nächsten drei Jahre auf 3.400 Mrd. Dollar geschätzt, was 8,7% des Umsatzes der betreffenden Unternehmen entspricht. Dies ist deutlich mehr als die 2.400 Mrd. Dollar, die in den vorangegangenen drei Jahren investiert wurden. Vor allem in Europa gibt es Bestrebungen, das verarbeitende Gewerbe auf den Kontinent zurückzuholen, die sowohl durch öffentliche Initiativen als auch durch private Investitionen gefördert werden. Die Reindustrialisierungsbemühungen Frankreichs und Deutschlands sind vor diesem Hintergrund des Wandels besonders sichtbar und bestätigen die Bedeutung strategischer Investitionen in den Industriesektor.

Wachsende Investitionen in die Reindustrialisierung: Ursachen und Ausmaß

Der Studie zufolge werden sich die von Unternehmen aus 13 Industriesektoren in 11 Ländern geplanten Gesamtinvestitionen zur Stärkung ihrer Produktionskapazitäten in den nächsten drei Jahren auf 3.400 Milliarden Dollar belaufen, was einem Anstieg von 1.000 Milliarden Dollar gegenüber dem vorangegangenen Zeitraum entspricht. Diese Investitionen, die 8,7% des Umsatzes der Unternehmen entsprechen, zielen sowohl auf die Rückverlagerung der Produktion in ihre Heimatländer („Reshoring“) als auch auf die Verlagerung in benachbarte Regionen („Nearshoring“) ab. Der Hauptgrund für die erhöhten Investitionen war der Wunsch der Unternehmen, die Widerstandsfähigkeit der Lieferketten nach den durch die Gesundheitskrise verursachten Unterbrechungen zu verbessern.

Darüber hinaus beeinflussten auch geopolitische Instabilität wie die Konflikte in der Ukraine und im Nahen Osten, der Wunsch nach einer Verringerung der CO2-Emissionen, einschließlich der indirekten Treibhausgasemissionen, sowie finanzielle Anreize und die Unterstützung der staatlichen Reindustrialisierungspolitik die Entscheidungen der Unternehmen. Etwa 63% der Befragten wiesen auf die Auswirkungen geopolitischer Spannungen hin, während 55% die Bedeutung von Umweltzielen betonten. Schließlich wiesen 49% der Manager auf die Bedeutung finanzieller Anreize und staatlicher Unterstützung für den Reindustrialisierungsprozess hin.

Reindustrialisierung in Europa: Führende Unternehmen und Herausforderungen

Frankreich und Deutschland waren bei der Reindustrialisierung proaktiver als die USA und haben erhebliche Mittel bereitgestellt. Frankreich hat 13% des BIP für die Wiederbelebung des verarbeitenden Gewerbes bereitgestellt und bis 2020 ein Programm in Höhe von 1 Milliarde Euro für den Wiederaufbau der Industrie nach der Pandemie aufgelegt. Deutschland wiederum setzt 20% des BIP für die Reindustrialisierung ein, viermal mehr als vergleichbare Bemühungen in den USA. Diese Investitionen zielen auf die Stärkung der wirtschaftlichen Unabhängigkeit und die Wiederbelebung strategisch wichtiger Industrien ab.

Trotz intensiver Maßnahmen gibt es Bedenken hinsichtlich der Wirksamkeit der Mittel. Der französische Rechnungshof hat sich besorgt über die mögliche ineffiziente Verwendung öffentlicher Mittel und die Gefahr ungerechtfertigter Gewinne geäußert. Während die USA den Inflation Reduction Act (IRA) mit großzügigen Subventionen für strategische Sektoren wie Elektrofahrzeuge und Batterien verabschieden, sehen die europäischen Länder darin eine Gefahr für den Wettbewerb. Dennoch investieren Frankreich und Deutschland weiterhin stark in die Industrie, um ihre Position auf dem Weltmarkt zu stärken.

Industrieproduktion

Unterstützung für die Verteidigungsindustrie in Frankreich

In Frankreich unterstützt die öffentliche Hand etwa zwanzig Projekte zur Verlagerung von Rüstungsbetrieben im Rahmen eines „Kriegswirtschafts“-Projekts, das auf die Bedürfnisse der Ukraine und die neue geopolitische Lage zugeschnitten ist. Zu diesen Projekten gehören die Rückkehr der Produktionsstätte für Granatenpulver von Eurenco nach Frankreich und die Einrichtung einer Produktionslinie für 250 kg schwere Bombenhülsen in Aresia sowie der Bau einer Produktionsstätte für 3D-Druckmodule in Bourges. Diese Initiativen zielen darauf ab, die Verteidigungskapazitäten des Landes zu stärken und die verlorenen Industrien wiederherzustellen.

Reindustrialisierung und Sicherheit in Europa

In Europa werden Projekte zur Verlagerung und Rückgewinnung von Industrien als Teil einer Strategie zur Stärkung der nationalen Sicherheit und zur Anpassung an veränderte geopolitische Bedingungen aktiv unterstützt. Viele Länder, wie Deutschland und Italien, konzentrieren sich auf die Wiederherstellung verlorener Produktionskapazitäten, insbesondere in strategischen Verteidigungs- und High-Tech-Industrien. Zu diesen Bemühungen gehören die Schaffung neuer Produktionslinien, die Modernisierung bestehender Anlagen und die Entwicklung additiver Technologien wie 3D-Druck zur Beschleunigung der Produktion von Schlüsselkomponenten.

Die europäischen Regierungen investieren aktiv in solche Projekte und bieten Subventionen und steuerliche Anreize, um die Rückkehr der Produktion auf den Kontinent zu fördern. Diese Maßnahmen zielen nicht nur darauf ab, die wirtschaftliche Nachhaltigkeit zu verbessern, sondern auch die technologische Unabhängigkeit Europas von externen Lieferanten zu gewährleisten. Infolgedessen sind der Aufbau von Verteidigungskapazitäten und die Wiederherstellung wichtiger Industrieketten zu Prioritäten vieler Länder geworden, die ihre Sicherheit angesichts der globalen Herausforderungen stärken wollen.

Schlussfolgerung

Europa ist aktiv dabei, verlorene Produktionskapazitäten zurückzugewinnen, was seine wirtschaftliche und technologische Unabhängigkeit stärkt. Diese Bemühungen spiegeln die Bedeutung der Reindustrialisierung für die Sicherheit und Wettbewerbsfähigkeit in der globalen Arena wider. Die Reindustrialisierung in Europa wird in den kommenden Jahren nur an Dynamik gewinnen und zur nachhaltigen Entwicklung des Kontinents beitragen.

 

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