Industriepolitik der Europäischen Union: Unterstützung und Schutz der Wettbewerbsfähigkeit

Der Industriesektor, der heute fast ein Viertel des europäischen BIP erwirtschaftet, ist einem zunehmenden globalen Wettbewerb ausgesetzt. Die Europäische Union ist bestrebt, die Entwicklung dieses Sektors durch die Finanzierung von Projekten und die Festlegung einer Reihe von Vorschriften zu fördern. Die EU ist derzeit die drittgrößte Industriemacht der Welt, hinter China und den USA.

Auf dem Kontinent sind zahlreiche Großunternehmen angesiedelt, insbesondere in den Bereichen Automobil, Verkehr, Verteidigung, Chemie/Pharma und Landwirtschaft. Im Vergleich zum Dienstleistungssektor nimmt das Gewicht der Industrie jedoch allmählich ab. Zwischen 2000 und 2020 sank der Anteil der Industrie in der EU von 25,5 auf 22,2% des BIP (einschließlich des Bausektors). Auch in mehreren osteuropäischen Ländern ist die Industrie der größte Arbeitgeber, aber im europäischen Maßstab macht sie inzwischen weniger als 22% der Arbeitsplätze aus.

Die Rolle der Europäischen Union

Die Industriepolitik fällt im Wesentlichen in die Zuständigkeit der EU-Mitgliedstaaten. Seit den 1950er Jahren hat die EU jedoch die Praxis staatlicher Eingriffe innerhalb des Binnenmarktes eingeschränkt, um den Wettbewerb zwischen den Staaten zu fördern. Mit dem Maastrichter Vertrag von 1992 wurde die Industriepolitik zu einer subsidiären Zuständigkeit der EU. Das bedeutet, dass die EU eingreifen kann, „um Maßnahmen der Mitgliedstaaten zu unterstützen, zu koordinieren oder zu ergänzen“.

Seitdem zielt die europäische Industriepolitik darauf ab, ein Umfeld zu schaffen, das die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen des Sektors begünstigt. Ihre Ziele, die in Artikel 173 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union festgelegt sind, lauten wie folgt:

  • Beschleunigung der Anpassung der Industrie an den Strukturwandel;
  • Förderung eines günstigen Umfelds für die Initiative und Entwicklung von Unternehmen in der Union, insbesondere von kleinen und mittleren Unternehmen;
  • Schaffung günstiger Bedingungen für die Zusammenarbeit zwischen Unternehmen;
  • Förderung einer besseren Nutzung des industriellen Potenzials für Maßnahmen in den Bereichen Innovation, Forschung und technologische Entwicklung.

Horizontale Politiken und Maßnahmen

Da die Union in diesem Bereich nur über begrenzte Befugnisse verfügt, ist ihre Industriepolitik im Wesentlichen horizontal ausgerichtet: Sie zielt darauf ab, die allgemeine wirtschaftliche Lage des Sektors zu verbessern. Im Rahmen der 2010 festgelegten allgemeinen Ziele (Strategie Europa 2020) hat sich die EU die Aufgabe gestellt, „eng mit den Akteuren zusammenzuarbeiten“ und „einen Rahmen zu schaffen, der das Entstehen einer modernen Industriepolitik fördert“.

Die Rolle der Europäischen Union

Zu den getroffenen Maßnahmen gehören:

  • Vereinfachung der Verwaltungsformalitäten für KMU;
  • Festlegung gemeinsamer Regeln für Ausfuhren der Verteidigungsindustrie;
  • Mehrere Pläne zur Verbesserung der Energieeffizienz von Gebäuden;
  • ein Programm zur „Kreislaufwirtschaft“, das auf das Recycling und die Verlängerung des Lebenszyklus von Produkten abzielt.

Die neue Industriestrategie der EU

Im März 2020 wurde eine neue Industriestrategie vorgeschlagen, die darauf abzielt, Industrie-„Allianzen“ zu finanzieren, um die europäische Wettbewerbsfähigkeit in Bereichen von reinem Wasserstoff bis hin zu Satelliten zu steigern. Sie betont auch die Notwendigkeit, europäisches geistiges Eigentum zu schützen, um weltweit gleiche Wettbewerbsbedingungen zu gewährleisten.

Im Mai 2021 wurden als Reaktion auf die Covid-19-Pandemie neue Ziele hinzugefügt. Drei Schlüsselbereiche werden hervorgehoben:

  • Stärkung der Widerstandsfähigkeit des Binnenmarktes, insbesondere in Krisenzeiten;
  • Verringerung der Abhängigkeit Europas in strategischen Bereichen wie Rohstoffen und Spitzentechnologien;
  • Entwicklung industrieller Allianzen zur Stärkung der Autonomie Europas in Schlüsselsektoren.

Regulierung des externen Wettbewerbs

Bei der Entwicklung ihrer Industrie ist die EU auch bestrebt, sie besser vor dem internationalen Wettbewerb zu schützen. Dazu stehen ihr handelspolitische Schutzinstrumente zur Verfügung: Antidumpingregeln, Antisubventionsmaßnahmen und Schutzmaßnahmen. Im Jahr 2020 wurde ein Mechanismus zur Filterung ausländischer Direktinvestitionen eingeführt, um die strategischen Interessen der Union zu schützen.

Im Jahr 2021 nahm die Kommission einen Vorschlag zur Regulierung ausländischer Subventionen an, die den Binnenmarkt verzerren. Derzeit laufen Verhandlungen über die Einführung eines Mechanismus zur Anpassung des Kohlenstoffausstoßes an der Grenze, der darauf abzielt, die Preise für Produkte aus Ländern anzuheben, die nicht die gleichen Umweltvorschriften einhalten wie die Europäer.

Finanzielle Unterstützung für die Industrie

Die EU hilft auch bei der Finanzierung von Industrieprojekten durch die Kohäsionspolitik und andere Programme. Zwischen 2014 und 2020 wurden 65 Milliarden Euro ausschließlich für KMU bereitgestellt, insbesondere im Industriesektor. Das Programm Horizont Europa ist für den Zeitraum 2021 bis 2027 mit 95,5 Milliarden Euro ausgestattet. Die Investitionsoffensive für Europa wurde 2015 verabschiedet, und ihr Nachfolger, das mit 750 Mrd. EUR ausgestattete EU-Konjunkturprogramm der nächsten Generation, soll die Erholung Europas von der Rezession sicherstellen.

Die Unterstützung für die EU und die einzelnen Mitgliedstaaten ist jedoch stark reglementiert. Die Wettbewerbspolitik schränkt den Handlungsspielraum der Regierungen in der Industriepolitik ein, was einige Herausforderungen mit sich bringt.

Schlussfolgerung

Die europäische Industrie braucht eine stärkere Unterstützung für Neugründungen und Innovationen, um ihre Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern. Die Einführung neuer Technologien und verbesserte Finanzierungsbedingungen spielen dabei eine Schlüsselrolle. Diese Maßnahmen werden zur Stärkung der wirtschaftlichen Entwicklung und zur Anpassung an den globalen Wandel beitragen.

 

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